Entscheid vom 25. April 2023
Referenz KSK 23 27
Instanz Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
Besetzung Bergamin, Vorsitzender
Mosele, Aktuarin
Parteien A.___
Beschwerdeführer
gegen
B.___
Beschwerdegegner
vertreten durch C.___
Gegenstand Einrede fehlenden neuen Vermögens (Art. 265a SchKG)
Anfechtungsobj. Nichteintretensentscheid Regionalgericht Prättigau/Davos, Einzelrichter, vom 27.03.2023, mitgeteilt am 27.03.2023 (Proz. Nr. 335-2023-30)
Mitteilung 26. April 2023
Sachverhalt
A. Der B.___ leitete gegen A.___ beim Betreibungsamt Prättigau/Davos eine Betreibung für eine Forderung in der Höhe von CHF 4'677.70 nebst Zins zu 4 % seit dem 2. November 2022, Verzugszins von CHF 49.30, Mahngebühren von CHF 30.00 sowie Betreibungsgebühren von CHF 100.00 ein. A.___ erhob Rechtsvorschlag mit der Bemerkung 'Kein neues Vermögen nach Insolvenz November 2017'.
B. Am 17. Februar 2023 legte das Betreibungsamt Prättigau/Davos den Rechtsvorschlag gemäss Art. 265a Abs. 1 SchKG dem Regionalgericht Prättigau/Davos vor.
C. Am 27. März 2023 fällte das Regionalgericht Prättigau/Davos folgenden Entscheid:
1. Es wird festgestellt, dass der von A.___ erhobene Rechtsvorschlag in Bezug auf die Einrede des fehlenden neuen Vermögens nicht zulässig war, und es wird das Verfahren Proz. Nr. 335-2023-30 durch Nichteintreten als erledigt abgeschrieben sowie vom Geschäftsverzeichnis des Regionalgerichts Prättigau/Davos gestrichen.
2. Der B.___ ist berechtigt, nach Rechtskraft dieses Nichteintretensentscheids die Fortsetzung der Betreibung Nr. D.___ des Betreibungsamtes Prättigau/Davos zu verlangen.
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4. [Rechtsmittelbelehrung]
5. [Mitteilung]
D. Dagegen erhob A.___ (fortan Beschwerdeführer) mit Eingabe vom 11. April 2023 (Poststempel) Beschwerde an das Kantonsgericht von Graubünden und stellte folgendes Rechtsbegehren:
1. Der Nichteintretensentscheid des Regionalgerichts Prättigau/Davos betreffend 'kein neues Vermögen nach Insolvenz (Konkurs)' in Sachen Rückforderung S 66 URP/GR vom 7. April 2016 (Wiedererwägung 04.05.2022) ist aufzuheben.
2. Die Betreibung Nr. D.___ des BA Prättigau/Davos betreffend Rückforderung der URP/GR vom 7. April 2016 ist durch die C.___, zurückzuziehen.
3. Im Rahmen einer Überprüfung der Rückerstattung der URP/GR vom 07.04.2016 konnte ich der Inkassostelle signalisieren, dass aus den Einkünften der Treuhandtätigkeit als Fachmann Rechnungswesen bei der E.___ GmbH monatliche Raten zu CHF 165.00 geleistet werden können (ohne Garantie der Regelmässigkeit). Dem beantragten Vortritt bei der Amtsstelle ist stattzugeben sowie die Möglichkeit der Ratenzahlungen über CHF 165.00 ist weiterhin zu gewährleisten ohne Pfändungsverfahren.
E. Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen. Auf die Einholung einer Beschwerdeantwort wurde verzichtet. Das Verfahren erweist sich als spruchreif.
Erwägungen
1.1. Das Kantonsgericht beurteilt als Rechtsmittelinstanz zivilrechtliche Beschwerden. Die Zuständigkeit innerhalb des Kantonsgerichts liegt bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer (Art. 8 Abs. 2 KGV [BR 173.100]). Gestützt auf Art. 7 Abs. 2 lit. a EGzZPO (BR 320.100) ergeht dieser Entscheid in einzelrichterlicher Kompetenz, da der Streitwert vorliegend die Grenze von CHF 5'000.00 nicht überschreitet.
1.2. Die Beschwerdefrist für die Anfechtung von Summarentscheiden beträgt zehn Tage (Art. 321 Abs. 2 ZPO). Zumal die Erteilung der Rechtsöffnung eine Betreibungshandlung ist, verlängern Betreibungsferien die dem Schuldner obliegende Frist zur Einreichung der Beschwerde (Nino Sievi, in: Staehelin/Bauer/Lorandi [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 3. Aufl., Basel 2021, N 89 zu Art. 84 SchKG; Jean-Daniel Schmid/Thomas Bauer, in: Staehelin/Bauer/Lorandi [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 3. Aufl., Basel 2021, N 8 zu Art. 63 SchKG). Sieben Tage vor und nach Ostern sind Betreibungsferien (Art. 56 Ziff. 2 SchKG). Fällt das Ende der Beschwerdefrist in die Betreibungsferien, so verlängert sie sich bis zum dritten Tag nach deren Ende (Art. 63 SchKG).
Gegen den Nichteintretensentscheid vom 27. März 2023 erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 11. April 2023 Beschwerde (act. A.1). Unter Berücksichtigung der Betreibungsferien sieben Tage vor und nach Ostersonntag, dem 9. April 2023, erging die Beschwerde rechtzeitig.
1.3. Die Vorinstanz trat auf das Begehren, es sei der Rechtsvorschlag mangels neuen Vermögens des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, nicht ein, weil die zugrundeliegende Forderung nach der Konkurseröffnung fällig geworden sei. Der Beschwerdeführer ist in dieser Hinsicht durch den Nichteintretensentscheid vom 27. März 2023 beschwert.
1.4.1. Erhebt der Schuldner Rechtsvorschlag mit der Begründung, er sei nicht zu neuem Vermögen gekommen, so legt das Betreibungsamt den Rechtsvorschlag dem Richter des Betreibungsortes vor, und zwar selbst dann, wenn er der Meinung ist, die Einrede sei unzulässig. Die Überprüfungsbefugnis des Betreibungsbeamten beschränkt sich auf rein formelle Aspekte. Er hat nicht zu prüfen, ob die Einrede des mangelnden neuen Vermögens zulässig ist, insbesondere nicht, ob über den Schuldner ein Konkurs durchgeführt wurde und ob die betriebene Forderung vor der Konkurseröffnung entstanden war (BGE 130 III 678 E. 2.1.). Darüber hat das Gericht in einem summarischen Verfahren zu entscheiden (Art. 265a Abs. 1 SchKG; Art. 251 lit. d ZPO). Gemäss Art. 265a Abs. 1 SchKG, letzter Satz, ist gegen diesen Entscheid kein Rechtsmittel zulässig. Der Schuldner, dessen Rechtsvorschlag mit der Begründung mangelnden neuen Vermögens nicht (vollumfänglich) bewilligt wurde, kann jedoch die ordentliche Klage auf Bestreitung neuen Vermögens gemäss Art. 265a Abs. 4 SchKG erheben. Die ordentliche Klage dient im Ergebnis der Überprüfung des Entscheides über die Bewilligung bzw. Nichtbewilligung des Rechtsvorschlages (BGE 134 III 524 E. 1.3; BGer 5D_69/2020 v. 28.4.2020 E. 1). Davon mitumfasst ist auch die (Neu-)Beurteilung der Frage des Vorliegens eines Konkurses und der Frage, ob die betriebene Forderung vor der Konkurseröffnung entstanden ist (OG ZH PS220052 v. 1.4.2022 E. 2.1; OG ZH PS190125 v. 23.8.2019 E. 2.2., Ueli Huber/Miguel Sogo, in: Staehelin/Bauer/Lorandi [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 3. Aufl., Basel 2021, N 31 zu Art. 265a SchKG).
1.4.2. Im Summarverfahren vor Gericht kommt gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts dem Schuldner die Rolle der klagenden Partei zu (BGE 139 III 498 E. 2) und es obliegt ihm die Beweislast. Es gilt das Beweismass der Glaubhaftmachung. So ist es am Schuldner, glaubhaft zu machen, dass die in Betreibung gesetzte Forderung vor der Konkurseröffnung entstanden ist (Huber/Sogo, a.a.O, N 23 zu Art. 265a SchKG). Könnten im ordentlichen Verfahren das Vorliegen eines Konkurses und die Frage, ob die betriebene Forderung vor der Konkurseröffnung entstanden ist, nicht neu geprüft werden, wäre das Gericht in diesem Verfahren an den auf bloss glaubhaft gemachten Tatsachen beruhenden Entscheid des Summarrichters gebunden. Diesem käme somit materielle Rechtskraft zu, was unzulässig wäre. Auch deshalb muss im ordentlichen Verfahren geklärt werden können, ob ein Konkurs durchgeführt worden ist und ob die betriebene Forderung vor der Konkurseröffnung entstanden war. Soweit eine bestimmte Rüge im ordentlichen Verfahren nach Art. 265a Abs. 4 SchKG behandelt und ein allfälliger Mangel behoben werden kann, ist die gesonderte Anfechtung des Summarentscheides folglich nicht möglich (OG ZH PS190125 v. 23.8.2019 E. 2.2.).
1.4.3. Die gewöhnlichen Rechtsmittel an die obere kantonale Instanz stehen jedoch offen, wenn das Verfahren aus formellen verfahrensrechtlichen Gründen durch Nichteintretensoder Abschreibungsentscheid abgeschlossen wird (Huber/Sogo, a.a.O, N 31b zu Art. 265a SchKG). Ebenso nicht überprüfresp. heilbar im ordentliche Verfahren nach Art. 265a Abs. 4 SchKG ist ein im Summarverfahren begangener Verfahrensfehler in Form der Gehörsverletzung sowie die Regelung der Prozesskosten. Hinsichtlich der Gehörsverletzung ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung die direkte Beschwerde an das Bundesgericht gegen den erstinstanzlichen Summarentscheid (BGE 138 III 44 E. 1.3 = Pra 2012 Nr. 77; 134 III 524 E. 1.3; BGer 5D_69/2020 v. 28.4.2020 E. 1; Huber/Sogo, a.a.O, N 31a zu Art. 265a SchKG) und hinsichtlich der Prozesskosten eine Kostenbeschwerde an das Kantonsgericht zulässig (BGE 138 III 130 = Pra 2012 Nr. 92; KGer GR KSK 18 18 v. 4.4.2018).
1.4.4. Wie erwähnt, trat das Regionalgericht Prättigau/Davos auf das Begehren des Beschwerdeführers um Bewilligung des Rechtsvorschlags mangels neuen Vermögens nicht ein, weil die der Betreibung zugrundeliegende Forderung nach der Konkurseröffnung fällig geworden sei (RG act. 8). Der Nichteintretensentscheid erfolgte damit nicht aus formellen verfahrensrechtlichen Gründen. In seiner Beschwerde führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, weshalb die Forderung vor der Konkurseröffnung entstanden sein soll (act. A.1 S. 2). Diesbezüglich greift der Rechtsmittelausschluss nach Art. 265a Abs. 1 SchKG. Es steht dem Beschwerdeführer jedoch die ordentliche Klage gemäss Art. 265a Abs. 4 SchKG zur Verfügung. Auf die Beschwerde ist daher in Bezug auf Rechtsbegehren Ziff. 1 nicht einzutreten.
1.5. Im Dispositiv des Nichteintretensentscheid vom 27. März 2023 wird der Beschwerdeführer auf die Beschwerde an das Kantonsgericht hingewiesen, nicht jedoch auf die 20-tägige Frist gemäss Art. 265a Abs. 4 SchKG zur Einreichung einer ordentlichen Klage. Aus einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung der Vorinstanz darf dem Beschwerdeführer kein Nachteil erwachsen (vgl. dazu etwa BGE 135 III 374 E. 1.2.2.1; BGer 5A_350/2021 v. 17.5.2021 E. 3.). Die 20-tägige Frist gemäss Art. 265a Abs. 4 SchKG für die Einreichung der Klage auf Bestreitung neuen Vermögens beginnt daher erst mit der Zustellung dieses Entscheides zu laufen.
2.1. Der Beschwerdeführer beantragt in Rechtsbegehren Ziff. 2 der Beschwerde, die Betreibung sei durch die C.___ zurückzuziehen, und in Rechtsbegehren Ziff. 3, es sei die Möglichkeit der Ratenzahlungen der Forderung in der Höhe von CHF 165.00 zu gewährleisten (act. A.1).
2.2. Damit stellt der Beschwerdeführer nicht die Korrektheit des vorinstanzlichen Entscheids in Frage, welcher einzig die Einrede des mangelnden neuen Vermögens betrifft. Er bezweckt damit vielmehr eine Abänderung der Verfügung betreffend Rückerstattung geleisteter Beiträge des Kantons vom 4. Mai 2022, welche bei Nichtbezahlung einer Rate innert der angesetzten Zahlungsfrist die Fälligkeit des gesamten ausstehenden Forderungsbetrages vorsieht (RG act. 3.1, Ziff. III.2). Ob und in welchem Verfahren die C.___ auf die Verfügung vom 4. Mai 2022 zurückkommen wird, kann nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein. Auf die Rechtsbegehren Ziff. 2 und 3 der Beschwerde ist folglich ebenfalls nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer hat sich diesbezüglich an die zuständige Behörde zu wenden.
3. Umständehalber ist auf die Erhebung von Kosten für dieses Verfahren zu verzichten. Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen, zumal der Beschwerdeführer unterliegt und dem Beschwerdegegner im Zusammenhang mit dem Beschwerdeverfahren keine Umtriebe entstanden sind, die zu entschädigen wären.
Demnach wird erkannt:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3. Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.
4. Der Beschwerdeführer kann eine Klage auf Bestreitung neuen Vermögens innert 20 Tagen von der Zustellung dieses Entscheides an schriftlich, im Doppel und unter Beilage dieses Entscheides beim zuständigen Gericht am Betreibungsort einreichen.
5. Gegen diese, einen Streitwert von weniger als CHF 30'000.00 betreffende Entscheidung kann gemäss Art. 72 und Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt werden, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Andernfalls ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 ff. BGG gegeben. In beiden Fällen ist das Rechtsmittel dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff., 90 ff. und 113 ff. BGG.
6. Mitteilung an: